Es begann mit dem Leihgerät eines Elektrohändlers in den frühen Neunzigern. Ja, in den Neunzigern. Eine Wochenendleihe meiner Mutter mit ordentlich Gerätepfand führte zum temporären Glück, eine VHS-Schulterkamera in einer Größe handhaben zu dürfen, wie man sie auch leicht dem Equipment eines Fernsehstudios hätte zurechnen können. Familienallerlei wurde auf vollvormatige VHS Kassetten videographiert, bar jeglicher Ahnung von Aufnahmewinkel, Lichtgestaltung und Dramaturgie. Und doch sind diese mehrminütigen Filmschnipsel des Herzens visuelle Erinnerung an Zeiten eines vergangenen Jahrhunderts.
Und dann kamen später eigene Videokameras. Zunächst ein noch recht großer Brocken mit S-VHS-C und Jahre später, so in den frühen Zweitausenderjahren, ein nun gedrittelter Camcorder mit den niedlichen Kassetten des Formats MiniDV. Kleine Tapes also, mit rein digitaler Aufzeichnung und entsprechend kleinem Kameragehäuse. So war es dann, nach einem kurzen unglücklichen Abschnitt mit dem Panasonic NV-MX7EG, schließlich und für lange Zeit, der MiniDV-Camcorder Sony DCR-HC96E, welcher uns jahrelang gute Dienste geleistet hat und immerzu mit dabei war. Bei Geburtstagen, Besuchen, Ausflüge, Spaziergängen, Spielplatztagen, überwall war der verdiente Kassenschlage des japanischen Elektronikriesen mit dabei. Und so viel sei verraten: auch in den letzten Wochen dieses Sommers 2023 lief die Kamera noch ganze Tage lange für das diesem Artikel zugrunde liegende Tape2Files Projekt. Robust und stoisch verrichtete die komplexe Mechanik des kleinen grauen Freundes ihren Dienst, und das deutlich über 20 Jahre nach dem Kauf. Das verdient mal ein ganz großes Bravo für die Absence von Obsoleszenz.
Dem Verfall ausgelieferte Kassetten
Mehrere Kisten mit alten Erinnerungen an alte Zeiten lagen bis vor kurzem und mitunter Jahrzehnte unangefasst im Abstellraum. VHS-Tapes, VHS-C Tapes, S-VHS-C Tapes und jede Menge MiniDV Kassetten. Ein gutes Gefühl ward nie da, denn irgendwann und längst drohen Veränderungen des Bandmaterials mit Verlust der wertvollen Aufnahmen. Es gibt dieses Sichtum an den analogen Bildsignalen mit ganz verschiedenen Ursachen. Mal ist es das am analogen Signal wie auch am digitalen Bit nagende Erdmagnetfeld, mal sind es menschgemachte andere elektromagnetische Einflüsse. Nebendes gibt es die Veränderung der Chemie des Bandmaterials. Freilich reifte insofern und schon längst der Wunsch in mir, die Aufnahmen ein für allemal in moderne editierbares Files zu überführen. Und diese hiernach, so der Clou des Gedankenkomplexes, über alle zukünftigen Iterationen von SSD durch die Zeiten zu bringen.Die Digitalisierung der auf Band befindlichen Videos stand also an. Und in der Wortfindung „Digitalisierung“ sei die konstruierte Vereinfachung hier bittschön verziehen, schließlich schlummert im Gegensatz zu den rein analogen Videos auf S-VHS-C in den kleineren MiniDV Kassettchen letztlich digitales DV25 PAL.
Über die Wahl der Wegstrecke von Kassetten zu Dateien
Die Digitalisierung in computerfreundliche Files einiger Boxen kleiner dicker VHS-C und S-VHS-Tapes und einiger Kisten MiniDV-Tapes stellte mich vor die Überlegung, wie sich das realisieren lässt. Auch die Fragestellung, wie viel Zeit am Ende für die Prozedur jeder einzelnen Kassette und auch in Summe zu investieren sein würde. Lösungen wurden erdacht mit Einbezug diverser Konverter und teils abenteuerlicher Kabelstrecken, auch ward der Gedanke geboren ob der nach „Jahrhunderten“ nochmaligen Anschaffung einer IEEE 1394 (Firewire) Karte. Und diese PCI-E / PC-like Archäologie ward dann schnell wieder von mir verworfen. Einfach wollte ich es haben, für beide Tape-Formate möglichst denselben ähnlichen Plot. Am Ende fiel es dem Yogatyp wie Schuppen von den Augen: Die perfekte Video-als-MP4-Speicher Maschinerie stand längst auf dem Produktionstisch: der Blackmagic Design ATEM Mini Pro.
Blackmagic Design ATEM Mini Pro: leistbares Profi-Equipment aus Australien
Es steht völlig außer Frage, dass der kleine HDMI-Switcher von den Videoprofis aus Australien sich zu höheren Dinge berufen fühlt und mit dem hier behandelten Tapes2Files Projekt selbstredend unterfordert bleibt. Aber die Dinge sind mitunter wie sie sind. Und wer ATEM im Namen trägt, der hat das wegzuatmen und bittschön den über HDMI-kommenden 1080p-Stream klaglos über USB-C auf die externe SSD zu schieben.
So gut der ATEM Mini Pro auch ist, analoge Eingänge bringt er nicht mit. So braucht es fürs gebotene Tun eine Sache davor, um das Audio und Video in Wellenform in Bits, sprich in einem 1080p Stream zu wandeln. Und jetzt kommen wir in die Bretagne, sorry, Bredouille, denn es gibt nur teuer und gut und billig und ominös aus China in diesem Segment.
Für 5,99 EUR habe ich einen kleinen Kasten erworben von „Abauoat“, gehandelt auf amazon. Ob Abaouat ein Händler, Distributor oder Hersteller ist, das habe ich für mich noch nicht entschlüsselt. Das kleine Konverterdingens wandelt analoges Video, kommend von Scart und in Richtung 720p oder 1080p, per Schalter auswählbar die Auflösung. Meiner Recherche und meiner vorläufigen Annahme nach ist das Kästchen vom Spritzgussgehäuse und vermutlich auch vom PCB her ein generisches Design, da dieser kleine Kasten von verschiedensten Vertreibern zu haben ist von Einstellig-Euro bis rauf über 30 EUR, aber doch mit dem augenscheinlich immergleichen Kunststoffspritzgussgehäuse und der immergleichen Funktionalität. Für mein ganz persönliches Dafürhalten ist das Equipment aus der chinesischen Hemisphäre. Es funktioniert wie es funktionieren soll. Direkt an den Rechner anschließen würde ich derlei Equipment aus derlei Destination sicher nicht.
Anschlussschema und Ablauf
S-VHS bzw. S-VHS-C: S-VHS-Recorder Panasonic NV-HS960 mit batteriebetriebener VHS/VHS-C Adapter Kassette > Adapter 2 * Audio Chinch (rot rechter Audiokanal, weiß linker Kanal, gelb FBAS bzw. Composite Video und 1 * S-Video Clinch auf Scart > Scart zu HDMI Wandler > HDMI Input vom Atem Mini Pro > USB-C Strecke zur SSD Samsung T7. Und weil es so schön passt, an dieser Stelle ein lustiges kleines Schaubild:
Mini-DV: MiniDV-Camcorder Sony DCR-HC96E, dessen von der Ladeschale abgehendes Ladekabel > Adapter 2 * Audio Chinch (rot rechter Audiokanal, weiß linker Kanal, gelb FBAS bzw. Composite Video und 1 * S-Video Clinch auf Scart > Scart zu HDMI Wandler > HDMI Input vom Atem Mini Pro > USB-C Strecke zur SSD T7. Und abermals ein lustiges kleines Schaubild zum Szenario 2:
Kassettentausch und der Faktor Echtzeit
Wären es nur wenige Tapes, so wäre das allein in Echtzeit mögliche Digitalisieren besagter Aufnahmen in besagter Manier kaum der Rede wert. Sind es wie hier viele an der Zahl, dann reden wir vom Tage währenden Einlegen, Zurückspulen, Play-Taste am Abspielgerät, REC am ATEM Mini Pro, wiederholt in den Pausen des normalen Alltagsgeschehens, unterbrochen von stichprobenhaft vorgenommenen Prüfungen der nun als MP4 vorliegenden Aufnahmen.
Aber, und das der Clou, am Ende entlohn für alle „Mühen“ ein digitales Archiv, dass die Samsung SSD nicht einen Gramm schwerer macht. Die alten analogen (S)-VHS-C und digitalen MiniDV Aufnahmen sind nun vorliegend in willigen Dateien, schick als .mp4 und nimmermehr sollen Ängste ob des Verfalls aufkommen.
Hast Du vor, ähnliches Konvertieren zu gestalten und sind noch Fragen ob des Wie offen, dann schreib mich ruhig an. Gerne helfe ich nach Kräften, mit Tipps und der einen oder anderen ergänzenden Idee. Namasté!